
Black Metal hat seine Wurzeln in legendären Bands wie Venom, Hellhammer, Bathory, Beherit, Mayhem, Darkthrone. Aber nur wenige haben überdauert und noch weniger haben konstant starke Aufnahmen veröffentlicht, ihr ursprüngliches Feuer erhalten und ihre Verheißungen erfüllt.
Finnland’s Archgoat sind eine Band, die eindeutig dazu beigetragen haben, den Grundstein für das zu legen, was wir heute als Black Metal lieben und kennen. Jeden Versuch ablehnend, sie einfach und bequem in eine Schublade zu stecken, ist diese Band trotzig unabhängig geblieben und hat einige der beständigsten und hervorragendsten Black Metal Veröffentlichungen geschaffen. Stets ihren satanischen Überzeugungen treu, haben sich Archgoat einen herausragenden Ruf als Life-Act aufgebaut und sich im Laufe der Jahre fest an der Spitze des Genres etabliert.
Ich sprach mit dem Gründungsmitglied und Gitarristen Ritual Butcherer über das Erbe dieser bahnbrechenden Band, die 1989 in Turku, Finnland gegründet wurde.
Hailz Bruder und vielen Dank, daß du diesem Interview mit Seelenfeuer zugestimmt hast. Archgoat gibt es schon lange. Wie viel hat sich, deiner Meinung nach, in der Black Metal Welt seit den späten 1980er Jahren verändert?
Ritual Butcherer: Heute ist so ziemlich alles anders, als in den Jahren, in denen die Musik und die Szene begannen. Der Grundgedanke, aus meiner Sicht, war etwas zu schaffen, das nur uns gehörte und die Musik war in diesem Sinne eine Erweiterung der Bandmitglieder – sie war persönlich und reflektierte in gewisser Weise wie ein Spiegel die Seelen, die sie geschaffen hatten. Im Laufe der Zeit wurde diese Idee auf den Kopf gestellt und es scheint, als ob neue Bands schlußendlich nur wie jemand anderes/alle anderen klingen und kein Interesse daran zeigen, ihre eigene persönliche Musik zu kreieren. Natürlich ist nicht alles nur schwarz und weiß und manchmal überrascht es mich, daß noch einige Bands diese ursprüngliche Atmosphäre einfangen können. Es war eine geschlossene Gesellschaft in der Metal Welt und es war sehr schwer dort reinzukommen! Die Szene beinhaltete nur Leute, die dort sein wollten und nicht versehentlich dort gelandet waren. Meiner Meinung nach, hat sich die ursprüngliche Szene mehr und mehr distanziert. Die Protagonisten von damals, verlassen sie und werden durch andere Leute mit anderen Ideen ersetzt. Die Bands von heute passen alle in diese kleine bescheuerte Schublade mit all den Einschränkungen und Erwartungen, welche Originalität abtöten. Ich bemerke das oft, wenn gesagt wird, Archgoat sei nicht Black Metal nur weil irgendwer sich einbildet Black Metal eine neue Definition geben zu müssen. Auch die Reichweite der internationalen Tourneen hat sich sehr verändert. In den 90er hatte man kaum eine Chance im Ausland aufzutreten, was sich glücklicherweise zum Besseren gewendet hat. Wir hatten unsere erste internationale Show 2005 in Großbritannien und heutzutage haben wir mehr Auftritte im Ausland, als in Finnland.
Was waren die wichtigsten musikalischen und nicht musikalischen Einflüße in den Anfängen von Archgoat? Was war das erste Konzept?
Ritual Butcherer: Die ersten musikalischen Einflüsse beziehen sich auf die frühen Carcass, Possessed, Celtic Frost, Sarcofago etc. Gewissermaßen hörten wir unsere Lieblingsbands und entschieden uns einfach die Art von Musik zu machen, die wir selber gerne hören wollten. Abgesehen von den musikalischen Einflüssen, öffneten diese Bands mit ihren satanischen Texten und Bildern für uns eine Welt, von der wir vorher noch nie gehört hatten und von der wir unbedingt mehr erfahren wollten. Dies veranlasste uns Bücher über Satanismus und den Left-Hand-Path zu bestellen und im Laufe der Jahre unsere eigene Philosophie und schlußendlich daraus unsere eigene Lebensweise zu entwickeln. Mittels dieser zwei Welten – Musik und Philosophie – wollten wir extremer sein, als all die anderen und das Ergebnis war die Geburt von Archgoat.
Was bedeutet Satanismus für dich als ein satanischer Künstler? Glaubst du Satanismus wird heutzutage als Lebensweise mehr akzeptiert?
Ritual Butcherer: Es ist eine Lebensweise, aus der ich meine Inspiration schöpfe und die sich in Archgoat widerspiegelt. Die Band ist eine Weiterentwicklung der Mitglieder und nicht umgekehrt. Im Laufe der Jahre hat sich meine Sicht auf den Satanismus verändert und sich zu etwas vertieft, das mich durch alle Aspekte meines Lebens geleitet. Für mich ist es eine sehr wahrhaftige Lebensweise. Akzeptanz ist ein bißchen übertrieben ausgedrückt, da gibt es von Land zu Land viel zu große Unterschiede. Ich für mich selber, habe keine Lust mich mit irgendwelchen Leuten über meine Philosophie zu unterhalten oder zu sehen inwieweit sie akzeptiert ist, das ist mir zu privat.
Da ich selber Satanist bin, freue ich mich immer sehr darüber, wenn die Abartigkeit des Christentums und andere kranke Vorkommnisse dort entlarvt werden. Glaubst du, daß dies nun endgültig der Untergang des Christentums bedeutet oder befindet es sich gerade nur in einer Krise?
Ritual Butcherer: Alles und Jeder ist ständig in Bewegung. Die Sinuskurve mit ihren Aufs und Abs ist ein gutes Beispiel dafür. In Krisenzeiten brauchen Menschen etwas, daß ihnen Erklärungen liefert und Antworten gibt. Das Christentum ist ein sicherer Hafen für unsichere Leute, die nicht in der Lage sind, aus welchen Gründen auch immer, für sich selber zu denken und ein Urteil über die Welt zu fällen. Das Christentum steckt fest und rennt immer nur im eigenen kleinen Kreis herum. Seit dem Mittelalter ist diese Religion gegen die Wissenschaft und gegen die Künste, ausgenommen der religiösen Kunst. Ich verspüre ein sehr starkes Ekelgefühl für diese Religion der Anti-Wissenschaft und Dummheit. Der springende Punkt dieser ganzen Reise, genannt Existenz, war für mich, Dinge herauszufordern und etwas in der Welt zu bewegen, anstatt sich passiv berieseln zu lassen.
Wer ist die höchste schöpferische Kraft in Archgoat? Wird zuerst mit dem Texteschreiben begonnen oder mit dem Komponieren der Musik?
Ritual Butcherer: Das wäre ich dann. Seit über einem Jahrzehnt habe ich alleine die Texte und die Musik geschrieben. Als Gitarrist ist für mich das Riff der König. Ich fange an ein Lied aus einem einfachen Gitarrenriff zu kreieren, den ich dann mittels „Versuch und Irrtum“ zu entwickeln beginne, um herauszufinden, ob es mit dem nächsten Riff funktioniert und somit ein Konzept für ein Stück mit Struktur und Schlagzeugideen erstelle. Die Texte füge ich als letztes hinzu, zuerst schaue ich, wie sich das musikalische Gesamtbild anhört und daraus entwickelt sich der lyrische Aspekt.
Zurück zu euren frühen Veröffentlichungen. Die EP „Angelcunt ( Tales of Desecration)“ kam bereits 1993 raus, aber klingt immer noch sehr dynamisch und jung nach all den Jahren. Hättet ihr jemals gedacht, daß ihr solch zeitlose Musik erschaffen würdet? Warum hat sie sich deiner Meinung nach so gut gehalten?
Ritual Butcherer: Danke für das Kompliment. Vom Klang her, war diese Veröffentlichung – meiner Meinung nach – beinahe schon wie mein persönlicher Moby Dick, dem ich hinterher jagte und versuchte einzufangen. Natürlich muß eine Art Entfaltung stattfinden, aber gerade die Basis macht diese EP so dynamisch. Reale Menschen mit echten Instrumenten spielen in einer Live-Umgebung und alles mit einem analogen 16-Tracker aufgenommen. Die kleinen Temposchwankungen tragen zum Live-Feeling bei. Ich denke diese Aufnahme repräsentiert in gewisser Weise den frühen ungezähmten Black Metal, welcher Überraschungsmomente enthielt. Wir haben absichtlich etwas Material weggelassen, weil wir wollten, daß die Veröffentlichung perfekt wird. Unsere Devise lautete „no fillers, only killers“ und wir verwendeten nur das Beste, das wir zu dieser Zeit komponiert hatten.
Es schien so etwas wie eine Pause und eine Veränderung im musikalischen Bereich zu geben, bis 2005 „Angelslaying Black Fucking Metal“ herauskam. Warum gab es die lange Pause und was bewirkte die Veränderung am Sound der Band?
Ritual Butcherer: „Angelslaying“ wurde 1993 als LP aufgenommen, aber aufgrund unserer Trennung von Necropolis Records, trafen wir die Entscheidung es nicht zu veröffentlichen. Die Szene war quasi über Nacht zu einer Lawine von Darkthrone Kopisten herangewachsen, die mit der Mentalität „erst die Musik“ ankamen und dies hatte rein gar nichts mit Satanismus zu tun. Das war der Beginn der Kategorisierung des Black Metal’s. Plötzlich klangen alle gleich und sogar die alten Bands, wie Archgoat, Beherit, Blasphemy, Sarcofago wurden mit den neu erfundenen „Standards of Black Metal“ in einen Topf geworfen und nicht mehr als Black Metal definiert. In dieser Umgebung wollten wir nicht mehr bleiben. In gewisser Weise wurde anfangs Black Metal von Schulhof-Rüpel gespielt und nun plötzlich von Weicheiern, die gemobbt und herumgeschubst wurden. Als wir 2003/2004 beschlossen Archgoat wieder zurück in die Spur zu bringen, hatten wir das „Angelslaying“ Master Tape und beschlossen daraus 3 Songs zu veröffentlichen, um ein Zeichen zu setzten, daß wir zurück sind.
„Whore of Bethlehem“ war ein wirklich bahnbrechendes Album und lief bei mir in Dauerschleife. Auch hier hat sich eure Musik wieder erheblich weiterentwickelt, was hat dazu geführt und warum der unverhohlene Fokus auf die „Mutter Christi“?
Ritual Butcherer: Das war wirklich harte Arbeit, denn das letzte Mal, das wir etwas aufgenommen hatten, war über ein Jahrzehnt her und wir beschlossen, soviel wir können selber zu machen. Die Aufnahmen dazu entstanden in unserem Proberaum zusammen mit einem Freund, der sich um die Tontechnik kümmerte. Ich erinnere mich, daß ich genau das gleiche Setup wie bei „Angelcunt“ verwendete, aber der Gitarrensound klang völlig anders, was wiederum beweist, daß die besten Dinge unerwartet passieren. Der schwere Low-End-Sound von „Angelcunt“ wurde durch einen kettensägenartigen Gitarrenklang und einem sehr verzerrten Sound insgesamt ersetzt, der uns ganz gut paßte. Darüber hinaus wollten wir das Album nicht zu sehr abmischen, sondern es ursprünglich halten. Der Titelsong ist eine offene Beleidigung, die es auf eine der heiligsten Dinge im Christentum abgesehen hat und ausgewählt wurde, um die Ideologie zu repräsentieren, um die es im Black Metal gehen sollte – anstatt dem baumumarmenden heidnischen Unsinn, zu dem die Szene zurückgekehrt war.
Ihr habt einen exzellenten Ruf als Live-Act, was wollt ihr mit euren Live-Auftritten erreichen, was treibt euch an? Welche Gigs stechen für dich besonders heraus?
Ritual Butcherer: Was treibt uns an, live zu performen….Wir sehen Archgoat als eine Art Prophet, der vor Menschen stehen muß, um von dem rebellischen Engel zu predigen. Um gewissermaßen von der Bühne aus zu leiten und die Botschaft zu präsentieren für die diese Band steht. Außerdem spielen wir gerne live – auch nach all den Jahren. Für uns beinhaltet eine Live-Show, den Austausch der Energie unserer Musik mit der Energie, welche die Menschen investieren, welche am Gig teilnehmen. Die am meisten hervorstechenden Shows waren die allerersten in 1990, wo ich mich erinnern kann, so aufgeregt gewesen zu sein, daß mir die Beine zitterten. Dann noch in 2005 in Großbritannien, als wir beim Slimelight auftraten. Unser erster Auftritt im Ausland, als Auftakt zu unserer Europäischen Tour. 2018 gingen wir auf Asientour, die aufgrund der „die-hard“ Mentalität des Publikums sehr intensiv und wirklich besonders war. Vielleicht noch die beiden 30-jährigen Jubiläumsshows, wir spielten ca. 27 Lieder in über 100 Minuten. Das Endergebnis von jeder Menge Planung und harter Arbeit, da wir Songs spielten, welche wir zum letzten Mal vor über 20 Jahren live performt hatten.
Eure Artwork ist jedesmal wirklich sehr besonders, wer entwirft das Design und wie entscheidet ihr über Aussehen und Design?
Ritual Butcherer: Das Design gestalte ich selber. Es konzentriert sich immer auf das Hauptthema des Albums und danach werden die Details hinzugefügt, um es zu vervollständigen. Die Zwillingsmonde sind für mich ein Element, das ich immer in die Kunst einbeziehen möchte, da es für mich ein Symbol der Dualität ist. Schon vor langer Zeit war der vorherrschende „Look“ bereits klar, alle anderen Cover sind eine Fortsetzung der vorherigen Alben.
Für mich hatte The Luciferian Crown einige Death Metal Elemente. War das eine bewußte Entscheidung deinerseits, wirst du das weiter ausbauen?
Ritual Butcherer: Diese Aussage verwirrt mich jetzt ein bißchen. Ich komponierte einen Song auf The Luciferian Crown, „Sorcery and Doom“. Es ist die Geschichte eines finnischen Schamanen und ich habe deshalb ganz bewußt, ein sehr finnisch klingendes schweres Riff für dieses Lied gewählt. Aber ansonsten kann ich deine Meinung überhaupt nicht teilen, da dieses Album – wie immer – auf der gleichen künstlerischen Freiheit basiert und sich nicht in eine Schublade stecken läßt, die von Leuten gemacht wurde, welche Probleme haben zu kapieren, um was es eigentlich im Black Metal geht. Das nächste Album wird auf die gleiche Weise entstehen, egal was andere darüber denken werden.
Was kommt als nächstes, nach so vielen gemeinsamen und erfolgreichen Jahren? Ist eine neue Veröffentlichung geplant und was glaubst du, wann ihr wieder live auftreten werdet?
Ritual Butcherer: Nun, ich bin jetzt gerade am Flughafen und fliege nach Finnland, um ein neues Album aufzunehmen, also ja, es geht weiter. Die Veröffentlichung wird in Kürze von Debemur Morti bekanntgegeben und wird das Thema der Europatour Ende 2021 sein. Meine Erwartung ist – angesichts der Corona-Impfungen – daß bis Ende 2021 wieder Normalität einkehren wird.
Eins ist sicher, Archgoat werden noch lange unerbittlich und unerschrocken, den blasphemischsten und brutalsten Black Metal abliefern, den es gibt. Es ist in der Tat sehr erholsam eine Band zu erleben, die musikalischen Trends gleichgültig gegenübersteht und sich somit voll und ganz darauf konzentriert, echte Black Metal Kunst zu liefern und keine blasse, geschmacklose Imitation.
Mit einem neuen Album, das in diesem Jahr von Debemur Morti veröffentlicht werden soll und Live-Shows, wird Archgoat wieder die Meßlatte erhöhen für alle, die noch kommen, aber nur wenige werden folgen können. Inmitten des Covid-Chaos, der unerbittlichen religiösen und politischen Dummheit und der allgegenwärtigen Idiotie der Massen, können wir uns glücklich schätzen sie zu haben. Möge die schwarze Flamme ewig brennen…